Dieser Text ist der Versuch einer allgemeinverständlichen Darstellung der wesentlichsten Erkrankungen der Schilddrüse und soll vor allem den medizinischen Laien ansprechen. Für Fehlerhinweise, Ergänzungen, kritische Bemerkungen und Anregungen wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Zur Erleichterung der Textabfassung wurden an verschiedenen Stellen folgende Abkürzungen verwendet!:
- SDE: Schilddrüsenerkrankung(en)
- SD: Schilddrüse
- T3/T4: L-Trijodthyronin/L-Thyroxin (SD-Hormone)
- TSH: Thyroidea stimulierendes Hormon
Inhalt
- Anatomie der Schilddrüse
- Geweblicher Feinbau der Schilddrüse (Histologie)
- Die Funktion der Schilddrüse und die Bedeutung des Spurenelements Jod
- Formveränderungen und Funktionsveränderungen des Organs
- Diagnostische Verfahren zur Erfassung von Schilldrüsenerkrankungen
- Histologische bzw. zytologische Verfahren
- Therapieprinzipien bei Schilddrüsenerkrankungen
- Begriffserklärungen
Anatomie der Schilddrüse
Lage der SchilddrüseDie Schilddrüse (Glandula thyroidea) ist eine rotbraune, leicht höckrige, innersekretorische (hormonbildende) Drüse (Abb.1). Zwei seiliche Lapen (linker und rechter) sind in der Mitte durch ein Querstück, den sog. Isthmus, miteinander verbunden. vom Isthmus oder einem der Lappen steigt häufig ein schmaler Fortsatz, der sog. Lobus pyramidalis (Abb.2), nach aufwärts und ist mit einem Bindegewebsstreifen am Zungenbein befestigt.
Die Drüse wird von einer dünnen Organkapsel eingehüllt. Diese schickt mit den Gefäßästen Septen in die Tiefe der Drüse, die dadurch in Läppchen, sog. Lobuli, unterteilt wird. Eine äußere, aus mehereren Lamellen bestehende Hülle, die Capsula fibrosa, heftet die Schilddrüse fest an Kehlkopf und Luftröhre. Stärkere bandartige Züge ziehen vom Isthmus und den angrenzenden Seitenlappen zum Ringknorpel des Kehlkopfes. Mit der Umgebung ist die Drüse durch lockeres Verschiebegewebe verbunden. Somit ist es ihr möglich, allen Bewegungewn des Kehlkopfes zu folgen („schluckverschieblich“).
Der Isthmus liegt üblicherweise auf Höhe des 2. bis 4. Ringknorpels der Luftröhre (Trachea).
Gewicht: ca. 17,7 bis 18,1 Gramm ; das Voumen und Gewicht unterliegt einer sehr großen, individuellen Schwankungsbreite. In der Regel zeichnet sich die Drüse beim Gesunden nicht ab. Wird sie nach außen durch eine Vorwölbung des Halse sichtbar, spricht man von einem Blähhals, Kropf oder einer Struma. Gelegentlich vergrößert sie sich auch nur nach innen in Richtung hinter das Brustbein. Dann spricht man von einer retrosternalen oder Tauchstruma.
Geweblicher Feinbau der Schilddrüse (Histologie)
Der Feinbau ist weitgehend vom Funktionszustand abhängig:
Im Stadium der Sekretstapelung sind die Drüsenbläschen (Follikel) groß und ihre Epithelschicht abgeplattet. Die Konsistenz des angereicherten Sekrets (Kolloid) ist erhöht.
Während der Sekretbildung ist das Epithel kubisch bis niedrig prismatisch. Im Zellinneren (Zytoplasma) findet man feine Prosekretkörnchen (Prosekretgranula).
Bei der Sekretausschwemmung ist das Epithel hochprismatisch und zeigt im Inneren Hohlräume (Vakuolen). Es sondert ein eiweißauflösendes (proteolytisches) Enzym ab, das das eingedickte Kolloid verflüssigt. Das verflüssigte Sekret wird dann durch Follikelzellen rückresorbiert. Bei diesem Prozeß werden die Hormone an Bluteiweiß gebunden.
Nicht alle Follikel der Drüse befinden sich im gleichen Funktionszustand sondern es besteht ein gewisser Arbeitsrhythmus. Durch die im Kap. Anatomie beschriebenen Bindegewebssepten werden immer eine größere Zahl von Follikeln zu kleineren Läppchen (Lobuli) zusammen gefaßt.
Die Funktion der Schilddrüse und die Bedeutung des Spurenelements Jod
So klein wie wichtig – die Schilddrüse
Wenn sie gesund ist, wiegt sie nur knapp 20 Gramm und ist dennoch enorm wichtig. Die Schilddrüse produziert zwei lebenswichtige Hormone: das Trijodthyronin, kurz T3 genannt, und Thyroxin, abgekürzt T4 (weil drei bzw. vier Moleküle Jod gebunden sind). Beide Hormone beeinflussen den Stoffwechsel und sind hauptsächlich zuständig für den Grundumsatz des menschlichen Körpers. Nebensächlich nehmen sie Einfluß auf Wachstum, Reifung, den Kreislauf und die Wärmeregulation. Ein Mangel an T3 und T4 wirkt sich daher besonders im Kindesalter negativ aus: Es kann zu schweren körperlichen und geistigen Schäden kommen.
Aber auch Erwachsene benötigen die Hormone. Fehlen sie, kann der Körper die aufgenommene Nahrung nicht mehr angemessen in Energie umwandeln. Störungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Wärmeregulation, des Körpergewichts und der persönlichen Leistungsfähigkeit sind nur einige der Folgen.
Es gibt aber auch den umgekehrten Fall: Die Schilddrüse produziert zuviel Hormone. Eine solche Schilddrüsenüberfunktion äußert sich häufig durch Herzklopfen, verstärktes Schwitzen, Durchfälle und Gewichtsabnahme. Regelkreise halten die Hormonkonzentration im Gleichgewicht. Beim Gesunden sorgt ein Regelkreis zwischen dem Gehirn, der Hirnanhangsdrüse und der Schilddrüse dafür, daß der Hormonspiegel ausgeglichen bleibt.
Dieser Regelkreis funktioniert so: Sinkt die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut zu sehr ab, reagiert ein bestimmter Bereich im Gehirn darauf mit einer Ausschüttung einer Substanz namens TRH (Thyroidea Releasing Hormone). Dieses regt die Hirnanhangsdrüse dazu an, vermehrt so genanntes TSH (Thyroidea Stimulating Hormone) auszuschütten. TSH wiederum bewirkt, dass die Schilddrüsenzellen vermehrt Hormone bilden. Zirkulieren davon zu viele im Körper, sinkt im Gegenzug die TSH Konzentration und die Schilddrüsenzellen produzieren weniger, bis der Überschuß im Blut abgebaut ist.
Ohne das über die Nahrung zugeführte Jod funktioniert dieser Prozeß jedoch nicht. Jod ist ein wichtiger Bestandteil der Schilddrüsenhormone T3 und T4 (siehe oben). Fehlt der Schilddrüse das Jod, fehlt ihr der Baustoff, um ihre Hormone zu produzieren. Der Körper ist nicht in der Lage, Jod selbst zu bilden. Und genau hier beginnen die Probleme: Der tägliche Jodbedarf eines Erwachsenen liegt nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bei rund 200 µg (Mikrogramm). Schwangere und Stillende benötigen sogar 230 bis 260 µg pro Tag. Experten schätzen jedoch, dass die Deutschen durchschnittlich nicht mehr als 120 µg Jod pro Tag zu sich nehmen, also deutlich zu wenig. Schilddrüsenstörungen aufgrund eines Jodmangels sind daher kein Einzelfall. Je nach Region haben ein bis zwei Drittel aller Erwachsenen in Deutschland einen mehr oder weniger stark ausgeprägten Kropf als Zeichen des Jodmangels.
Die Biosynthese der Schilddrüsenhormone: Das mit Nahrung und Wasser aufgenommene Jodsalz wird in der Schilddrüse gegen einen Gradienten aktiv aufgenommen und durch den Katalysator Peroxidase in organisches Jod konvertiert. Dieses wird in die Tyrosinreste des intrafollikulären Thyreoglobulins eingebaut. Die Tyrosine werden entweder einmal (Monojodtyrosin, MIT) oder zweimal (Dijodtyrosin, DIT) jodiert und dann gekoppelt, so daß sich aus zwei Dijodtyrosin-Molekülen das Tetrajodthyronin (Thyroxin, T4), und aus einem Dijodtyrosin und einem Monojodtyrosin das Trijodthyronin (T3) bildet. Das Glykoprotein Thyreoglobulin enthält T4 und T3 und wird in Form von Kolloidtropfen von den Schilddrüsenzellen aus dem Follikel resorbiert
Kleine Menge, große Wirkung – einfach unentbehrlich: Jod
Der Mensch benötigt nur winzige Mengen davon, doch diese sind lebenswichtig: Das Spurenelement Jod müssen wir täglich mit unserer Nahrung aufnehmen, um keinen Mangel zu bekommen!
Die Schilddrüse ist der Hauptverwerter des Körpers für Jod. Sie benötigt das Spurenelement zur Bildung ihrer Hormone. Ist zuwenig Jod vorhanden, kann sie auf kurz oder lang nicht mehr genügend Trijodthyronin und Thyroxin ,– so heißen die Schilddrüsenhormone –, bilden. Dies führt zu einer Schilddrüsenunterfunktion, wie wir an anderer Stelle sehen werden.
Wieviel Jod sollten Sie zu sich nehmen?
Die deutsche, österreichische und schweizerische Ernährungsgesellschaften haben im Jahr 2000 gemeinsame Empfehlungen dazu veröffentlicht. Die Werte sind alters- und entwicklungsabhängig und individuell schwankend. Säuglinge, Kinder und Jugendliche benötigen bezogen auf ihr Körpergewicht besonders viel Jod, weil die Schilddrüsenhormone für verschiedene Entwicklungs- und Reifungsprozesse wichtig sind. Den höchsten Bedarf haben Schwangere und Stillende, weil sie Jod an ihr Kind weitergeben müssen.
Die Empfehlungen der Ernährungsgesellschaften zur notwendigen Jodaufnahme pro Tag [µg/d]
Kinder von 1-4 Jahre: | 100 µg |
Kinder von 4-7 Jahre: | 120 µg |
Kinder von 7-10 Jahre: | 140 µg |
Kinder von 10-13 Jahre: | 180 µg |
ab 13.Lebensjahr: | 200 µg |
Schwangere: | 230 µg |
Stillende Mütter: | 260 µg |
Experten schätzen jedoch, daß Erwachsene pro Tag lediglich rund 120 µg Jod zu sich nehmen. Hauptgrund dafür ist, daß die Böden und das Grundwasser in Deutschland zu jodarm sind. Entsprechend niedrig ist daher auch der Jodgehalt unserer heimischen Agrarprodukte. Es gibt jedoch erhebliche regionale Unterschiede, die sich möglicherweise als Folge der Eiszeiten und der damit verbundenen Auswaschung der Böden erklären lassen. Diese These ist allerdings umstritten. In Mittelgebirgslagen besteht aber ein ganz erheblicher Jodmangel und damit ein vermehrtes Auftreten von Strumen bei der einheimischen Bevölkerung.
Mit der Einführung der Kochsalzjodierung ist die Häufigkeit der Kropfbildung insbes. bei Jugendlichen deutlich rückläufig. Jedoch ist diese Methode auch mit Nachteilen behaftet, wie weiter unten gezeigt wird.
Jodmangel – die Schilddrüse reagiert
Einen leichten Jodmangel kann die Schilddrüse anfangs noch ausgleichen. Sie greift dazu auf Reserven zurück, um ihre Hormone in ausreichender Menge zu bilden. Sind jedoch alle Jodreserven verbraucht, sinkt der Hormonspiegel im Blut. Die Hirnanhangsdrüse mißt den Schilddrüsenhormongehalt unseres Blutes und schüttet nun ihrerseits thyreoidastimulierendes Hormon (TSH) aus. Die Schilddrüse beginnt unter dem Einfluß dieses Hormons zu wachsen, bildet aber dennoch zu wenig T3/T4, da der Jodmangel ja fortbesteht. Anfangs gelingt es der Schilddrüse, noch die kleinsten Mengen Jod aus dem Blut aufzunehmen zu können und der Hormonproduktion zuzuführen. Obwohl der Jodspiegel zu niedrig ist, schafft sie es auf diese Weise, Mindestmengen ihrer Hormone bereitzustellen.
Zu Beginn merken die Betreffenden von diesem Prozess noch nichts. Irgendwann jedoch fällt auf, dass der Hals dicker geworden ist: Ein Kropf hat sich gebildet. Die Schilddrüse wird aber nicht nur größer; sie verändert auch ihren inneren Aufbau. In Bereichen, in denen die Schilddrüsenzellen besonders gewachsen sind, können regelrechte Knoten entstehen. Einige dieser Knoten haben die Tendenz, sich der Regulation zu entziehen. Eine normale Schilddrüse reguliert ihre Hormonproduktion in Abhängigkeit vom Hormonbedarf. Sie wird dazu vom Gehirn bzw. der Hirnanhangsdrüse gesteuert. Die autonomen Knoten entziehen sich hingegen dieser Steuerung und produzieren Hormone unabhängig vom Bedarf. Andere Knoten wiederum verlieren die Fähigkeit zur Hormonbildung vollständig. Diese „kalten“ Knoten sind für die Hormonbildung verloren. Das gesamte Organ beginnt fehlerhaft zu funktionieren. In der Folge entstehen Erkrankungen, die wir in den folgenden Kapiteln erörtern.
Formveränderungen und Funktionsveränderungen des Organs
Aus den oben dargelegten Fakten können wir schlußfolgern, daß Störungen der Regelmechanismen zwischen Gehirn – Hirnanhangsdrüse – Schilddrüse einerseits, Jodmangel andererseits aber auch durch äußere Einflüsse, die in diese Mechanismen eingreifen (Medikamente z.B., Operationen u.a.) zu Veränderungen des feingeweblichen Aufbaus, der Hormonbildung und somit zu einer Erkrankung des Organs führen.
Formveränderungen: Vergrößerung, Verkleinerung, Knotenbildung (einzeln oder multiple), Zystenbildung u.a.
Funktionsveränderungen: Bildung von zu viel oder zu wenig Schilddrüsenhormon mit der Folge einer Über- bzw. Unterfunktion des Organs.
Form- und Funktionsveränderungen treten sehr häufig kombiniert auf, können zunächst als relativ eigenständiges Krankheitsbild in Erscheinung treten, aber auch andere Organsysteme in Mitleidenschaft ziehen. So führt eine Überfunktion (Hyperthreose) sehr häufig zu Störungen des Herzrhythmus oder des Blutdruckes mit der Folge von Herz-Kreislaufschäden. Störungen des Wärmeregulation und des Stoffwechsels können ebenso Folge einer Hyperthyreose sein wie ein Exophthalmus (Hervortreten der Augäpfel aus der Augenhöhle). Eine Unterfunktion (Hypothyreose) beinträchtigt ebenfalls den Herzkreislauf; beim Säugling bzw. Kleinkind aber auch Wachstum und geistige Entwicklung.
Formveränderungen der Drüse, wie starke Volumenvergrößerung oder Knotenbildung können sich auch auf das Atmungssystem auswirken, z.B. durch Einengung der Luftröhre mit der Folge einer Widerstanderhöhung im Bronchialsystem oder im Lungenkreislauf. Auf dem Boden knotiger Veränderungen können sich aber auch bösartige Tumoren des Organs entwickeln.
Über die wesentlichsten Krankheitserscheinungen sprechen wir in den folgenden Kapiteln, die auf Unterseiten dargestellt werden.
Für vergrößerte SD (Strumen, Kröpfe) gilt folgende Stadieneinteilung der WHO:
Stadieneinteilung der Struma nach WHO
|
|
Stadium
|
Kennzeichen
|
Ia
|
Solitärer (einzelner) Knoten in normaler SD |
Ib
|
Struma nur bei nach hinten gebeugtem (rekliniertem) Hals sichtbar |
II
|
Struma sichtbar und tastbar |
III
|
erhebliche Struma mit Lokalsymptomen (z.B. Luftröhrenverdrängung), bereits auf Distanz sichtbar |
Diagnostische Verfahren zur Erfassung von Schilldrüsenerkrankungen
Die wichtigsten Untersuchungsverfahren wollen wir zunächst in Hauptgruppen zusammenfassen:
- Anamnese = Patientenbefragung (z.B. nach typischen Symptomen einer Schilddrüsenerkrankung)
- Körperliche Untersuchung durch Inspektion (Betrachtung), Palpation (Ertasten und Fühlen) und Auskultation (Abhören)
- Laboruntersuchungen (Hormonbestimmungen, hormonbindende Eiweiße, Antikörper-Bestimmung u.a.)
- Bildgebende Verfahren wie Ultraschall, Röntgen (klassische Röntgenaufnahme, CT, MRT)
- Nuklearmedizinische Verfahren (Tc-Szintigrafie)
- Histologische Verfahren = feingewebliche Untersuchung von Operationpräparaten und Feinnadel-Punktaten (Biopsie)
Anamnese = Krankenbefragung
Worüber klagt der Patient? bzw. wonach fragt der Arzt?
In der Regel schildert der Patient typische Symptome seiner SDE, einzeln oder kombiniert. Welche Symptome dies sind, wird in den Kapiteln über die spezifischen SDE beschrieben. Hier wird nur eine kleine Auswahl von Symptomen vorgestellt, die den Arztes veranlassen, eine SDE in seine diagnostischen Überlegungen einzubeziehen.
- Halsumfangszunahme
- Kropfbildung
- „Nervosität“
- Tremor = Zittern
- Hitzewallungen/Schwitzen
- „Glotzauge“ (Exophthalmus)“
- heiße Hände
- Schluckbeschwerden
- Herzrasen
- Haarausfall
- Gewichtsverlust/-zunahme im umgekehrten Verhältnis zu den Eßgewohnheiten
- Merseburger Trias = Kropf + Glotzauge + Herzrasen
- Die drei großten T = Temperaturerhöhung/Hitze + Tachykardie (Herzrsaen) + Tremor (Zittern)
- Myxödem = trocken, blasse, rauhe, wachsartige, leicht eindrückbare Haut ohne Verbleiben der Delle in Gesicht, an Händen und unt. Extremitäten zumeist kombiniert mit trockenen, brüchigen Nägeln und spärlichem Haar
- verlangsamter Pulsschlag
- Abgeschlagenheit, Interessenverlust, Nachlassen geistiger Fähigkeiten
Körperliche Untersuchung
Was sieht der Arzt?
- Struma (Kropf), evtl. schon Knoten
- Stauung von Halsgefäßen
- Exophthalmus (s.vorh.Absatz)
- Tremor = feines Zittern der Finger
- „Nervosität“/Unruhe evtl.
- Gewichtsverlust/-zunahme
Was tastet der Arzt?
- Vergrößerung der SD, Knoten, sog. „Schwirren“ (s.vorh.Abs.)
- warme, feuchte oder kühle, trocken-spröde Hände
- teigige, dellenlose Gesichts- oder Extremitätenschwellungen
Was hört der Arzt?
Schwirren, veränderte Atemgeräusche u.U., Herzschlag-Unregelmäßigkeiten u.U.
Laboruntersuchungen
Merke: TRH-Test und Grundumsatz-Messungen sind heute obsolet!
Eine sichere Diagnosestellung ist heute anhand nur noch weniger Laborparameter und der Bewertung der Ergebnisse von Anamnese, klinischer Untersuchung und bildgebenden Verfahren möglich. Die differential-diagnostische Beurteilung erfordert im Einzelfall noch die Szintigrafie, als nuklearmedizinische Methode, und ggf. eine feingewebliche Untersuchung des Feinnadel-Punktats.
Welche Laborparameter bedeutungsvoll sind, wird in den Kapiteln über die einzelnen SDE dargelegt. An dieser Stelle möchte ich nur auf die drei wichtigsten Parameter der Basis-Diagnostik eingehen. Über die Normalwerte und Grenzbereiche finden Sie Angaben in unserer Labor-Datenbank und ggf. bei den Krankheitsbildern.
Abkürzungen
- <e>= erniedrigt
- <n>= normal
- <h>= erhöht
Abkürzung | Bezeichnung | Bedeutung |
TSH basal | basales Thyroidea Stimulierendes Hormon | Ausschluß einer SD-Funktionsstörung |
fT4 | freies Thyroxin | Differntierung einer SD-Funktionsstörung |
fT3 | freies Trijodthyronin |
Interpretation der drei Basisparameter | |
Konstellation
|
Bedeutung
|
fT4 = h und/oder fT3 = h und TSH = e
|
SD-Überfunktion (Hyperthyreose)
|
fT4 = e und TSH = h
|
SD-Unterfunktion (Hypothreose)
|
fT4 = h bzw. fT3 = h und nicht-supprimierte TSH (= n)
|
inadäquate TSH-Sekretion (siehe Kommentar!)
|
Kommentar: Findet man bei schneller Änderung des Krankheitsverlaufes oder der Therapie, auch bei TSH-produzierenden Tumoren der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), hypophysäre SD-Hormon-Resistenz, Mangel an hypophysärer Typ-II-Deionidase (sehr selten!) (sehr selten!), hochdosierter beta-Blockertherapie und einigen anderen Nicht-SDE. |
Bildgebende Verfahren
Bei den bildgebenden Verfahren handelt es insbes. um die Ultraschall-B-Bild-Untersuchung (Sonografie), die klassischen Röntgenverfahren und mondernere radiologische Verfahren wie Computertomografie (CT) und Magnetresonanz-Tomografie (MRT)
Die folgende Tabelle stellt einzelne Verfahren und die damit erzielbaren Ergebnisse gegenüber.
Sonografie |
Obligat bei Struma und tastbaren Knoten! Volumenbestimmung:
[Länge x Breite x Tiefe] für jeden Lappen – Gesamtvolumen normal < 25 ml für Männer und < 18 ml für Frauen |
Struma: Schallmuster wie bei normer SD, oder Echovergröberung = kleinste echoreiche und echoarme Bezirke nebeneinander
|
|
Strumaknoten: unterschiedliche Echogenität, meist scharf abgrenzbar
|
|
Zysten: echofrei, dorsale Schallverstärkung
|
|
SD-Karzinom: meist echoarm, unscharfe und unregelmäßig begrenzte Knoten
|
|
Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis (siehe dort) : echoarm, oft deutlich vergrößerte SD, bei chron. Thyreoiditis auch verkleinert!
|
|
Thyreoiditis de Quervain: unscharf abgegrente, echoarme Arelae
|
|
Thorax-Röntgen |
Brustkorb-Rö-Aufnahme: Ausdehnung einer Tauchstruma, Luftröhrenverlagerung, Vergrößerung des Mittelfells (Mediastinum)
|
Trachea-Röntgen |
Zielaufnahme der Luftröhre (Trachea) ggf. mit Saug- und Preßversuch zur Erkennung einer Luftröhreneindellung, Verschiebung oder Knorpelbeschädigung (Tracheomalazie)
|
CT / MRT |
Computer- bzw. Magnetresonanz-Tomogramm: Bewertung der Tauchstrumen (retrosternale Struma) oder Infiltration von SD-Tumoren
|
Nuklearmedizinische Verfahren
Die beiden wichtigten Verfahren sind die SD-Szintigrafie und die Suppressions-Szintigrafie mit dem Nuklid 99mTc (Technecium), das intravenös verabreicht, wie Jod überwiegend von der Schilddrüse aufgenommen wird und sich in dem Organ verteilt. Anschließend bestimmt man unter einer Zählkammer die Verteilung und die aufgenommene Gesamtmenge (Tc-uptake). Der Normalwert ist je nach regionaler Jodversorgung durch die Nahrung unterschiedlich und beträgt bei normalem TSH ca. 1,5-5% und bei niedrigem TSH weniger als 1,5%.
Indikation (Anzeige) = wann anzuraten?) |
Autonomie (welche Areale entziehen sich der Steuerung?) – Sind heiße oder kalte Knoten vorhanden (hohe bzw. keine Tc-Aufnahme)? |
Kontraindikation (Gegenanzeige) = wann nicht möglich? |
in der Schwangerschaft |
Interpretation | Hyperthyreose: Diagnose einer fokalen, multifokalen oder disseminierten Autonomie, Abschätzung der funktionellen Relevanz Knotenstruma: kalte Knoten nehmen kein Tc auf (z.B. Zysten, Fibroadenome und Tumoren), heiße hingegen in Übermaß (meist autonome Adenome) |
Fehlermöglichkeiten | vorherige Jodexposition (z.B. durch Röntgen-Kontrastmittel oder Desinfektionsmittel/Jodsalbe) führt zu vermindertem Tc-uptake |
Suppressions-Szintigrafie
Diese Methode wird angewendet, wenn der Verdacht auf funktionelle Autonomie besteht. Es ist eine Wiederholung der SD-Szintigrafie nach Vorbehandlung mit hohen Dosen von L-Thyroxin, wodurch die TSH-Ausschüttung der Hirnanhangsdrüse supprimiert (unterdrückt) wird.
- 14 Tage Einnahme von täglich 200 µg L-Thyroxin, dann Szintigrafie
oder - 14 Tage 75 µg und weitere 14 Tage 150 µg, unmittelbar danach SD-Szintigrafie
Histologische bzw. zytologische Verfahren
Auf die feingewebliche Untersuchung von Operationpräparaten, die insbesondere für die Tumoreinteilung von großer Bedeutung ist, wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen.
Im Rahmen der Diagnostik spielt aber die Feinnadelpunktion eine größere Rolle (insbes. zur Diagnostik von Tumoren und Zysten).
Feinnadelpunktion (Aspirationszytologie)
- Wann nötig? sonografisch echokomplexe, echoarme bzw. echofreie und szintigrafisch kalte Knoten
- Wie durchgeführt? Punktion mit sehr dünner Kanüle unter Sonografie-Kontrolle und Ansaugen von Zellmaterial
Therapieprinzipien bei Schilddrüsenerkrankungen
An dieser Stelle folgt eine grobe Übersicht. Auf die spezifische Therapie bei den einzelnen SDE wird in den Kapiteln der Krankheitsbeschreibungen eingegangen!
Medikamente | Thyreostatika | blocken die Hormonproduktion | Zustände mit Überfunktion, OP-Vorbereitung |
SD-Hormone | Substitution | Normalisierung des SD-Hormonspiegels, auch bei oder nach anderen Therapien | |
Jod | Prophylaxe und Therapie | alters- und situationsgerechte Bedarfsdeckung (Kinder, Jugendliche, Schwangere) | |
Perchlorat | Prophylaxe | vor und nach Eingriffen mit jodhaltigen Kontrastmitteln | |
Operation | bösartige Tumoren, große verdrängende Struma (lokale Kompression), Nicht-Ansprechen oder Nebenwirkungen bei medikamentöser Therapie, Rezidive nach medikamentöser Therapie, bei denen Radiojodtherapie nicht möglich ist. | ||
Radiojod-Therapie | bei funktioneller Autonomie, Morbus Basedow-Rezidiv, inoperable Patienten, Nachbehandlung bei SD-Karzinom |
Begriffserklärungen
- Hyperthyreose … SD-Überfunktion , zuviel eines oder beider SD-Hormone im Organismus
- Hypothyreose … SD-Unterfunktion, insbes. zuwenig T4 im Organismus
- Euthyreose … normaler SD-Hormonspiegel im Blut
- TSH … Thyreoida (SD) stimulierendes Hormon, ein Hormon der Hirnanhangsdrüse, das die SD zu Wachstum u. gesteigerte Hormonproduktion anregt
- T3/T4 … L-Trijodthyronin / L-Thyroxin – die zwei SD-Hormone , hauptsächlich verantwortlich für den Grundumsatz des Körpers
- endokrine Drüse … innere Drüse, zum Hormonsystem des Organismus gehörend, geben ihre Hormone in die Blutbahn ab, exokrine Drüsen hingegen geben Fermente in den Verdauungskanal ab
- Autonomie/autonom … selbständig/unabhängig, sich den Regelmechanismen entziehend, im entfernten Sinne also unkontrollierbar
- fokal/multifokal … einen/mehrere Krankheitsherde (Focus) betreffend
- disseminiert(e) … über ein ganzes Organ bzw. über den Organbismus verbreitet
- Thyreostatika … die Biosynthese und/oder die Ausschüttung (Sekretion) von SD-Hormon hemmende Substanz/Medikament
- Radiojod … Nuklid des Elements Jod
- Szintigrafie … Messung und Darstellung der selektiven Verteilung eines radioaktiven Strahlers im lebenden Organismus
- Nuklid/Radionuklid … natürliche oder durch Kernreaktion künstlich erzeugtes Isotop (chemisches Element mit gleicher Ornungs- aber unterschiedlicher Massezahl), zeigt gleiches chemisches Verhalten
- Grundumsatz … = Ruheumsatz, also der Energieumsatz eines seit 12 Stunden nüchternen, völlig entspannten Menschen bei bekleidet 20° C bzw. entkleidet 30° C Umgebungstemperatur (sog. Indifferenz-T.), setzt sich zusammen aus den für der Erhaltung der Zellen erforderlichen Erhaltungsumsatz (Grundstoffwechsel) und aus der Ernegieproduktion für Tätigkeitsbereitschaft (Ernergievorgänge aller vegetativ gesteuerten Vorgänge, alters- u. geschlechtsabhängig, individuelle Tagesschwankungen unterworfen, Norm ca. 7100 kJ/Tag bei 70 kg, Erhöhung durch Menstruation, Schwangerschaft, Fieber, Übererregbarkeit und vor allem SD-Überfunktion, bei SD-Unterfunktion vermindert
- Aspirationszytologie … Gewinnung von Zellmaterial zur feingeweblichen Untersuchung zur Ansaugen mit hilfe einer sehr feinen Kanüle
- subtotale Strumektomie … chirurgische Entfernung der SD bis auf die Anteile an denen die Nebenschilddrüsen befestigt sind
- Enukleation … chirurgische Entfernung nur eines erkrankten Knotens
- Exophthalmus … sog. Glotzauge, Hervortreten der Augäpfel aus den Augenhöhlen (Orbitae) durch Vergrößerung der Augenmuskeln , häufig bei SD-Überfunktion insbes. bei M.Basedow, nicht von der Höhe der SD-Hormonproduktion abhängig sondern von immunologischen Begleitfaktoren, kann auch bei Euthreose auftreten!
- TRAK … TSH-Rezeptor-Antikörper, Autoantikörper gegen TSH-Rezeptoren in der Membran von SD-Zellen (Thyreozyten)